Konzertarchiv
Warlock, Grieg, Mozart, Glazunov
07. Mai 2022
Peter Warlock (1894-1930)
Capriol Suite für Streichorchester
Edvard Grieg (1843-1907)
Norwegische Tänze op. 35
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Konzert für Oboe und Orchester C-Dur, KV 314
Alexander Glazunov (1865-1936)
Une fête slave, op. 26 Nr. 4
Dirigent: Knud Jansen
Jérémy Sassano, Oboe
Komponisten und Werkbeschreibungen
Peter Warlock (1894-1930)
Capriol Suite für Streichorchester
Wenn Sie im Lexikon unter dem Namen „Peter Warlock“ nach einem bekannten englischen Komponisten suchen, werden Sie höchstwahrscheinlich enttäuscht werden. Außer einigen wenigen Erwähnungen finden sich nur spärliche Hinweise auf seine Tätigkeit als Musiker. Dies liegt daran, dass unser Komponist mit eigentlichem Namen Philip Arnold Heseltine hieß, vorwiegend als Musikwissenschaftler und Musikkritiker arbeitete und seine Kompositionen alle unter dem Pseudonym „Peter Warlock“ veröffentlichte.
Philip Heseltine wuchs in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts in England in gutbürgerlicher Umgebung auf, ging in Eton zur Schule und studierte in Oxford und London. Schon damals zeigte sich seine Affinität zu historischer Dichtung und Musik (vorwiegend zur Musik und Dichtung der elizabethanischen Epoche in England sowie zu mittelalterlicher Musik und italienischer Renaissancemusik). Er beschäftigte sich intensiv mit keltischen Sprachen und deren Musik, studierte irisch, gälisch, walisisch und bretonisch. In den Jahren 1917-18 lebte er in Irland und dort entstanden auch seine ersten namhaften Kompositionen.
In den Zwanziger-Jahren dann beschäftigte er sich viel mit alter Musik und aus dieser Zeit auch stammt sein bekanntestes Werk für Orchester, die sogenannte „Capriol-Suite“, die im Wesentlichen nach mittelalterlichen Tänzen aus der berühmten Tanz-Sammlung „Orchésographie“ von Thoinot Arbeau (aus dem Jahre 1588) gestaltet ist.
Dennoch kann man seiner Komposition die musikalische Selbständigkeit nicht absprechen, da z.B. in überraschenden kleinen Klangexperimenten die Nähe zum Impressionismus durchaus durchscheint. Ursprünglich wie dies bei so vielen tänzerisch inspirierten Werken der späteren Romantik der Fall war (wir sehen das auch bei den Werken der beiden anderen Spätromantikern unseres heutigen Konzertprogrammes Edvard Grieg und Alexander Glasunow) schrieb Peter Warlock das Werk zuerst für zwei Klaviere, instrumentierte es dann im Jahre 1926 für Streichorchester und ließ eine Sinfonieorchesterfassung 1928 nachfolgen.
Edvard Grieg (1843-1907)
Norwegische Tänze op.35
„Ich war voll gestopft mit Chopin, Schumann, Mendelssohn und Wagner und brauchte schöpferische Freiheit. Ich musste eine persönlichere Luft atmen.“ So äußerte sich der junge Edvard Grieg, als er als 19-Jähriger nach einem vierjährigen Musikstudium im Leipziger Konservatorium wieder nach Norwegen zurückkehrte. Durch seine Freundschaft mit dem Geiger Ole Bull, der als Vorkämpfer norwegischer Volksmusik und Kultur gilt, lernte er den Zauber der norwegischen Volksmusik kennen: „Ole Bull spielte für mich die zauberhaften norwegischen Melodien, die in mir den Wunsch wachriefen, sie als Basis meiner eigenen Melodien zu verwenden“. Er stößt auf alte Volksmelodien und bearbeitet einige davon für Klavier vierhändig, um sie mit seiner Frau Nina zusammen zu spielen.
So brachte auch Edvard Grieg seine Norwegischen Tänze (1881) – ähnlich wie Peter Warlock, einige Jahre später – zuerst für Klavier zu vier Händen heraus. Es war seine skandinavische Antwort auf die so erfolgreichen Slawischen Tänze Antonín Dvořáks und die Ungarischen Tänze von Johannes Brahms. Diese beiden Komponisten hatten ihre Tanzserien für Klavier zu vier Händen zu genau derselben Zeit, nämlich 1878 und 1881, veröffentlicht. Die Beschäftigung mit national geprägter Musik und dem in der Romantik so wichtigen „Volkston“ lässt sich damals bei fast allen wichtigen Komponisten Europas feststellen.
Und die vorherrschende Form der Musikausübung lag zu dieser Zeit im Vierhändigspiel am Klavier. Alle diese drei Tanzserien entwickelten sich zu absoluten Highlights in den jeweiligen Ländern. Aus diesem Grund war es auch nicht verwunderlich, dass in Kürze Orchesterbearbeitungen entstanden. Diese wurden von Dvorak und Brahms vorwiegend selbst erledigt. Nur Grieg wagte sich damals nicht selbst an die Orchestrierung seiner Tänze, da sein Freund Johan Svendsen mit seinen „Norwegischen Rhapsodien“ das Thema norwegischer Orchestermusik schon besetzt hielt. Aus diesem Grunde besorgte Robert Henriques, zur vollständigen Zufriedenheit von Grieg, die Orchestrierung.
Aus der Beschreibung von Karl Böhmer: „Der eigentliche Zauber der Stücke liegt natürlich in ihrem authentischen norwegischen Volkston. Für den ersten Tanz verwendete Grieg den populären Sinklar-Marsch, für die letzten drei so genannte „Hallings“, traditionelle norwegische Brauttänze junger Männer, die schnell und sehr akrobatisch auszuführen sind. Die knappen Themen dieser Tänze schmückte Grieg frei aus, fügte jeweils einen Mittelteil als Trio ein, und erhielt so typische Konzerttänze, die er wie eine Art Sonate anordnete: Das ausgedehnte erste Stück dient als Allegro in d-Moll (mit D-Dur-Trio). Als langsamer Satz folgt ein kurzes, graziöses Allegretto in A, als Scherzo ein simpler Marsch in G, als Finale ein rauschendes Presto in D-Dur (mit Trio in d-Moll).“
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Oboenkonzert C-Dur KV 314
„Welche Wonne, welche Lust, regt sich nun in meiner Brust“ – diese Melodie trällernd wirbelt in Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ Blondchen über die Bühne.
Diese weltweit bekannte Melodie entstand jedoch schon fünf Jahre früher als die Oper, nämlich 1777 als sprühender Gedanke im Finalsatz des bis in die 50er Jahren des 20. Jahrhunderts verschollenen Oboenkonzerts, welches Wolfgang Amadeus wohl während seiner ersten Parisreise in Mannheim für einen Oboisten namens Guiseppe Ferlendis geschrieben haben soll. Anschließend wurde es von seinem Freund Friedrich Ramm noch mehrfach mit großem Erfolg in Mannheim aufgeführt. Das Konzert wirkt in seiner gesamten Struktur leicht und transparent, wodurch der Solist hervorgehoben wird und die rhythmischen Figuren stark zum Ausdruck kommen, besonders wenn das Orchester zum ersten Eintreten des Solisten einleitet. Der zweite Satz ist von sehr elegischem Charakter, in dem die Oboe ihren weichen, melodiösen Ton sehr gut ausnutzen kann. Der überschwängliche dritte Satz ist ein Rondo mit einem hüpfenden, übermütigen Thema, das deutliche Verwandtschaft zur Arie der Blonde „Welche Wonne, welche Lust“ aus Mozarts Oper (KV 384) aufweist. Es ist erwiesen, dass Mozart sich zur Komposition ebendieser Arie vom Vater das Material des Oboenkonzerts zuschicken ließ.
Im Jahre 1778 bestellte dann ein Hobby-Flötist mehrere Flötenwerke (Flötenquartette und Flötenkonzerte) bei Mozart. Da dieser aber ja bekanntermaßen kein großer Freund der Flöte als Instrument war, schrieb er das Oboenkonzert kurzerhand für Flöte um, veränderte einige Kleinigkeiten, um es der klanglichen Wirksamkeit der Flöte etwas anzupassen, und transponierte es von C-Dur nach D-Dur (es ist überliefert, dass der Besteller deshalb an Mozart nur einen Teil des vereinbarten Honorars bezahlt hat, da es sich ja um eine Bearbeitung eines existierenden Konzertes handelte). So kommt es, dass wir heute zwei Instrumentalkonzerte von Mozart mit derselben Nummer KV 314 besitzen, die beide ihrerseits aber zum absolut wichtigen Repertoire der jeweiligen Blasinstrumente gehören.
Alexander Konstantinovich Glazunov (1865-1936)
Une fête slave op. 26 Nr. 4
Alexander Glazunov stammte aus einer der ältesten russischen Verlegerfamilien. Seine Mutter war Pianistin, sein Vater ein guter Geiger. Früh zeigte sich seine außergewöhnliche musikalische Begabung. Mit 11 Jahren begann er zu komponieren, mit 16 Jahren vollendete er seine 1. Symphonie. In St. Petersburg galt er als Wunderkind, wurde schon damals von Balakirew und Rimsky-Korsakov unterrichtet und gefördert. Da er aus einer wohlhabenden Familie stammte, lebte er schon mit 18 Jahren nur für seine Musik. 1884 führte der Allgemeine Deutsche Musikverein in Weimar in Gegenwart des 19-jährigen (ein begeisterter Franz Liszt zählte auch zu den Zuhörern) seine 1. Symphonie auf. Trotz des großen Altersunterschieds von mehreren Jahrzehnten wurde Glazunov von Anfang an gleichberechtigt in die Petersburger Komponistengruppe des „Mächtigen Häufleins“ um Borodin, Cui, Rimsky-Korsakow, Balakirew, Liadow aufgenommen. Ab 1887 als Dirigent in St. Petersburg tätig, dirigierte er 1889, erst 24-jährig, bei der Pariser Weltausstellung zwei Konzerte mit Russischer Musik und machte damit das erste Mal russisch national geprägte Musik in Westeuropa bekannt.
Nach einigen Jahren als Lehrer für Instrumentation wurde er 1905 zum Direktor des St. Petersburger Konservatoriums gewählt und widmete sich seither der Pflege vor allem der Musik seines Heimatlandes. Ab 1928 ist er zusätzlich auf vielen Konzertreisen in ganz Europa zu finden, er engagiert sich in mannigfacher Weise vornehmlich für die osteuropäische, slawische Musik, erhielt unzählige Auszeichnungen. Er vereint in seiner Musik national-russische Einflüsse mit Stilelementen z. B. von Tschaikowsky. So lassen sich in seinem Werk Tendenzen zu ausgesprochen volksliedhafter Themenbildung, orientalisierender Harmonik, Exotismen und metrischen Freiheiten feststellen. Auf der anderen Seite sticht an Glazunovs Musik ganz im Gegensatz zu den Bestrebungen des „Mächtigen Häufleins“ eine große handwerkliche Meisterschaft und eine souveräne Beherrschung der Kompositionstechnik hervor: Glazunov war ein brillanter Orchestrator, und ein Meister der Formgebung. Die tänzerische, kurze sinfonische Dichtung, die Sie im Konzert hören werden, ist ein typisches Beispiel dafür: Ein buntes, folkloristisches Treiben entfaltet sich vor uns, ein richtiges „Slawisches Fest“.
Jérémy Sassano, Oboe
Jérémy Sassano wurde 1987 geboren und begann im Alter von 9 Jahren mit dem Oboenspiel am Konservatorium von Tours (Frankreich) in der Klasse von Christine Asso. Dort erhielt er einen ersten Preis im Jahr 2004 einstimmig und entschied sich, seine Fähigkeiten bei Daniel Arrignon in Paris zu verbessern, wo er 2005 ebenfalls einen ersten Preis einstimmig erhielt.
Als Preisträger des internationalen Wettbewerbs der UFAM in Paris 2005 trat er am Conservatoire National Supérieur de Musique von Lyon im September 2005 in die Klasse von Jean-Louis Capezzali ein, wo er fünf Jahre später seinen Masterabschluss mit Auszeichnung erhielt.
Sein Wunsch zu reisen und insbesondere die deutsche Kultur zu entdecken, brachte ihn dazu, das Erasmus-Programm zu nutzen, das er an der Musikhochschule in Stuttgart in der Klasse von Christian Schmitt 2009-2010 absolvierte, dessen Assistent er ab 2014 wird.
Im Februar 2010 wurde Sassano als Solo-Englischhornist in das Orchester der Frankfurter Oper berufen. Im Oktober 2013 gewann er den internationalen Petritoli-Wettbewerb in Italien. Im Januar 2015 wurde er zum Solo-Englischhornisten des WDR-Sinfonieorchesters in Köln ernannt.
Er tritt auf den größten internationalen Bühnen auf. Er konzertiert mit renommierten Orchestern wie dem Orchestre National de France, dem Orchestre Philharmonique de Radio-France, dem Gewandhaus zu Leipzig, dem Orchester des Schwedischen Rundfunks, dem Orchester der Staatsoper München, den Münchner Philharmonikern, dem NDR Elbphilharmonie Orchester, dem Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, dem Budapest Festival Orchestra, dem Lucerne Festival Orchestra und dem Bayreuther Festspielorchester. Er spielte unter der Leitung von Dirigenten wie Mariss Jansons, Andris Nelsons, Daniel Barenboim, Kirill Petrenko, Christoph Eschenbach, Myung-Whun Chung, Daniel Harding, Christian Thielemann, Riccardo Chailly und Ivan Fischer.