Philharmonie Schwäbisch Gmünd e.V.

Konzertarchiv

Rimski-Korsakowy, Sibelius, Dvořák
12. November 2016



  • Nikolai Rimski-Korsakow
    Ouvertüre über russische Themen op. 28

    Jean Sibelius (1865- 1957)
    Violinkonzert

    Antonin Dvořák (1841-1904)
    Symphonie Nr.8 G-Dur , op. 88

    Solist: Christian Ostertag, Violine

    Leitung: Knud Jansen

Komponisten und Werkbeschreibungen



  • Nikolai Rimski-Korsakow:
    Das „Mächtige Häuflein”


    Die russische Musik des 19. Jahrhunderts ist ohne diese fünf Komponisten undenkbar: Modest Mussorgsky, Nikolai Rimski-Korsakow, Alexander Borodin, Cesar Cui und Mili Balakirew. Diese Künstler verfolgten die gleichen musikalischen Ziele in ihren Werken und schlossen sich daher zu einer Gruppe zusammen, dem sogenannten „Mächtigen Häuflein”.Das Mächtige Häuflein setzte fort, was Glinka, der Vater der russischen Musik, begonnen hatte.
    Balakirew war es, der die Gruppe 1857 ins Leben rief. Da es zunächst eine nur zufällig zusammengewürfelte kleine Zahl von Musikern zu sein schien, wurden sie verächtlich als „kleiner Haufen” bezeichnet. Wladimir Stassow jedoch, ein befreundeter Kunstkritiker und Förderer der Gruppe, behauptete, es sei zwar ein kleines, aber doch mächtiges Häuflein. Der Erfolg der Musiker gibt dieser Bezeichnung auch heute noch Recht.
    Was die fünf Komponisten von anderen Zeitgenossen unterschied, war ihre musikästhetische Einstellung. Im Gegensatz zu einem Komponisten wie Tschaikowsky beispielsweise, hatte keiner von ihnen eine künstlerische Ausbildung am Konservatorium genossen. Jeder von ihnen übte hauptberuflich eine andere Tätigkeit aus als die des Musikers. Genau diese Haltung, die natürliche, ungekünstelte, versuchten die Komponisten in ihre Musik einfließen zu lassen. Das große Ziel hierbei war es, durch ihre eigenen Neuerungen die gesamte russische Musik zu reformieren.
    Großes Vorbild war für sie der Komponist Michail Glinka (1804-1857), der aufgrund seiner Liebe zur russischen Volksmusik „Vater der russischen Musik” genannt wurde. Wie Mussorgsky war auch Rimski-Korsakow (1844-1908) von Haus aus nicht Komponist, sondern Seeoffizier bei der Marine. 1859 lernte er durch seinen Klavierlehrer die Komponisten Balakirew und Cui kennen. Diese entwickelten sich schnell zu Förderern seiner musikalischen Begabung und ermunterten ihn, zu komponieren.
    Auf einer langen Schiffsreise, nach Abschluss seiner Ausbildung, komponierte Rimski-Korsakow seine 1. Sinfonie, die 1865 fertiggestellt wurde. Dies war der Moment, in dem er erkannte, dass die Komponistenlaufbahn seinem eigentlichen Wesen mehr entsprach als das Militär. Rimski-Korsakow orientierte sich in seinen Kompositionen besonders an Glinka und Balakirew, aber auch an Berlioz und Liszt. Charakteristisch sind seine Sinfonischen Dichtungen wie „Scheherazade” oder „Russische Ostern”,sowie die Konzert-Ouvertüre op.28 über russische Themen, die durch eine außergewöhnlich farbige Instrumentation und eine fantasievolle Musiksprache auffallen. Rimski-Korsakow und Mussorgsky waren eng befreundet, wobei es in musikalischer Hinsicht auch große Differenzen gab. Rimski-Korsakow orchestrierte etliche Werke Mussorgskys neu, zum Beispiel die „Nacht auf dem kahlen Berge”. Kritiker loben hier seine kunstvolle Instrumentation, bedauern jedoch den Verlust der für Mussorgsky typischen Schärfe und Radikalität im Ausdruck. Charakteristisch für die Musik des „Mächtigen Häufleins” ist neben einer farbenreichen Instrumentation und der Verwendung russischen Volksliedguts die Orientierung an der russischen Sprache. Auch der orthodoxe Kirchengesang hat sich als typisch russisches Merkmal in der Musik der fünf Komponisten niedergeschlagen. Nicht zuletzt ist es das radikale Moment des Natürlichen, das die Musik des „Mächtigen Häufleins” auszeichnet



  • Jean Sibelius (1865- 1957):
    Violinkonzert


    Die Uraufführung von Sibelius’ Violinkonzert im Februar 1904 war ein Desaster:
    Von dem Geiger Willi Burmester, der damals in Helsinki Konzertmeister war, hatte Sibelius den Anstoß bekommen, ein Violinkonzert zu schreiben. Geplant war eine Uraufführung in Berlin mit Burmester als Solisten. So schrieb er im Jahre 1903 in Helsinki die erste Fassung seines Konzerts. Durch Geldnöte sah er sich in der Folge veranlasst, die Uraufführung um mehrere Monate vorzuverlegen, wodurch sich Burmester wegen anderer Verpflichtungen außerstande sah, das Konzert zu spielen. Sibelius verpflichtete darauf einen anderen Solisten, der aber den technischen Anforderungen, die das Konzert an ihn stellte, nicht gewachsen war. Die Kritiker ließen an der Komposition und am Solisten kein gutes Haar.
    Im folgenden Jahr arbeitete Sibelius mit Unterbrechungen immer wieder an einer Neufassung.1904 hatte er sich mit seiner Familie in sein neues Heim Ainola am Ufer des Tuusulanjärvi zurückgezogen. Die bösen Erinnerungen an Helsinki ließen sich dort leichter vertreiben. Und es gelang ihm auch, sein Violinkonzert von allem überflüssigen Pomp zu befreien, es in eine Form zu gießen, die von klaren Linien und Strukturen geprägt ist – wie die Landschaft um Järvenpää. Dazu Jean Sibelius mit einer persönlichen Äußerung gegenüber dem großen Geiger Henryk Szeryng:" Der Beginn des 1. Satzes zeigt die verschneite, von der Sonne beschienene finnische Landschaft, (in den gegenläufigen Violinen wird ein Glitzern hörbar). Die Solovioline setzt nach einer kleinen Ewigkeit (3 1/2 Takte!) auf einer Dissonanz ein und beginnt das Hauptthema, einem Vogel gleich, der von der Seite ins Bild kommt (er fliegt schon länger, war bis dahin nur nicht zu sehen), zunächst ruhig ohne Flügelschlag, dann sich immer kräftiger aufschwingend".
    Das Konzert beginnt mit einer glasklaren, aber wunderschönen Melodie der Solovioline über einem geheimnisvollen Schleier der Streicher. Auch im weiteren Verlauf wird man sich immer wieder an die weite Landschaft Finnlands erinnern. Zu einer gelungenen Uraufführung der zweiten Fassung kam es dann am 19. Oktober 1905 in Berlin, unter der Leitung von Richard Strauss, mit dem tschechischen Solisten Karel Halir. Der richtig große Durchbruch gelang Sibelius mit diesem Werk aber erst, als die großen Geiger des 20.Jahrhunderts, z.B. Jascha Heifetz, David Oistrach und Henryk Szeryng, dieses großartige Werk entdeckten und einem großen Konzertpublikum erschlossen. Heute zählt es zu den beliebtesten Konzerten für Violine überhaupt.



  • Antonin Dvořák (1841-1904):
    Symphonie Nr.8 G-Dur , op. 88


    Die Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88 entstand in einer für den Komponisten glücklichen Zeit: Es ging ihm gut in jenem Sommer 1889, als er mit der Komposition der Achten begann – er schrieb auf seinem idyllischen Landgut Vysoka seine ganz persönliche Pastorale, sein Bekenntnis zum Landleben und zur Natur. Die Symphonie wurde dann am 2.2.1890 in Prag uraufgeführt. Sie gilt neben der 9. Symphonie („Aus der neuen Welt“) als die populärste des Komponisten und wird häufig als W.Theurich) "Englische Symphonie" bezeichnet, weil das Werk sehr bald auch in England überaus erfolgreich aufgeführt wurde.
    Im Gegensatz zur aggressiveren, düstereren 7.Symphonie vermittelt der erste Satz trotz des markanten elegischen g-Moll Themas eine durchaus positive, lebens- und farbenfrohe Grundstimmung, oft nahezu überschäumend. Der zweite Satz, ein Adagio, beginnt mit einer aufsteigenden, „melancholischen“ Triolenfigur. Dieses Motiv ,das sich in der Folge teils heiter, teils auch lyrisch und schwermütig darstellt, wirkt auf weite Strecken sehr slawisch-böhmisch,- kammermusikalische Elemente stehen neben einem großem Duktus. Eine wehmütig-beschwingte Walzerweise schließt sich im Scherzo daran an. Im Finale, in dem Exposition und Reprise als unterschiedliche Variationsabschnitte erscheinen, vereinigt der Komponist Elemente der traditionellen Symphonischen Form mit typisch national geprägten, tschechisch-böhmischen Elementen. Daraus entsteht ein leuchtender, überschäumend heller Schlusssatz, dem sich niemand durch seine Unmittelbarkeit und seinen musikantischen Schwung entziehen kann.

    "Dvoraks traditionell viersätzig gebaute achte Sinfonie op. 88 steckt voller schnell wechselnder Anforderungen ans Orchester und emotional aufgeladener Ausbrüche, die oft auf verschlungenen Wegen sanft angesteuert werden, dann aber umso strahlender aufscheinen. Die Rückkehr zur schillernden G-Dur-Grundtonart im vierten Satz verstärkt seinen Jubel in der klassischen Sonaten- und Variationenform, unterstreicht die Klarheit und Logik des Aufbaus, was sich dann in der Coda entlädt: gebändigte Energie in reinster Form" (W.Theurich)

Solist Christian Ostertag, Violine



  • Christian Ostertag
    „Sweet, strong and sure“ schrieb der Kritiker der New York Times über sein Carnegie Hall Debut und kam zu dem Urteil: „beautyfully done, excellent“, Lord Yehudi Menuhin äußerte sich „bewundernd“ über sein „ausgezeichnetes Spiel“:

    Christian Ostertag, 1963 in Karlsruhe geboren, erhielt seinen ersten Geigenunterricht im Alter von 5 Jahren bei Rainer Peschke in Stuttgart und in Schwäbisch Gmünd. Nach dem Abitur studierte er bei renommierten Lehrern wie Valery Gradow und Rainer Kussmaul und absolvierte Sommerkurse bei Sándor Végh, Rony Rogoff und Ruggiero Ricci. Seine Karriere erhielt einen entscheidenden Impuls durch den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs Bonn 1990 und der anschliessenden 35. Bundesauswahl „Konzerte Junger Künstler“.

    Er erhielt Einladungen zu Konzerten in Japan, Nord- und Südamerika, zu den Festivals in Ludwigsburg, Echternach und Schleswig-Holstein, den Berliner Festspielen (März Musik), dem Rheingau Festival und Wien Modern und trat – nicht zuletzt mit dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, dessen 1. Konzertmeister er seit 1996 ist – unter Dirigenten wie Francois-Xavier Roth, Sylvain Cambreling, Marcello Viotti und Heinz Holliger auf.
    Zahlreiche Radio- und CD-Produktionen dokumentieren seine Vielseitigkeit und geigerische Kompetenz, die Aufnahme des 1. Violinkonzert op. posth. von Béla Bartók bei Hänssler Classics wurde in die Bestenliste des Preises der Deutschen Schallplattenkritik aufgenommen. 2001 verlieh ihm die Kulturstiftung „Pro Europa“ den Europäischen Solistenpreis.

    Kammermusik ist Christian Ostertags besondere Leidenschaft, zu seinen Partnern zählen Künstler wie László Fenyö, Kalle Randalu, Wen Sinn Yang, Paul Rivinius, Hariolf Schlichtig, Ulf Rodenhäuser, Jean-Guihen Quieras, Bozo Paradzik sowie sein langjähriger Duopartner Fritz Schwinghammer. Die Zusammenarbeit mit Komponistenpersönlichkeiten vom Rang eines Péter Eötvös, Helmut Lachenmann, György Kúrtág oder Wolfgang Rihm öffnet seinem musikalischen Denken neue Wege.

    Seit 2005 hat Christian Ostertag eine Professur für Violine an der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen inne. Internationale Meisterkurse für Violine und Kammermusik runden seine Tätigkeit ab.