Philharmonie Schwäbisch Gmünd e.V.

Konzertarchiv

Anton Bruckner, John Rutter
14. November 2009



  • 20.00 Uhr im Heilig-Kreuz-Münster
    Schwäbisch Gmünd

    Anton Bruckner
    Symphonie Nr.3 d-Moll (Wagner-Symphonie) 2.Fassung

    John Rutter
    Magnificat

    Philharmonie Schwäbisch Gmünd
    Kolpingchor Schwäbisch Gmünd
    Nina Omilian, Sopran

    Tanja Goldstein, Leitung



  • Gemeinsame Probe der Philharmonie Schwäbisch Gmünd und dem Kolping Chor
    unter der Leitung von Tanja Goldstein am 5. Oktober 2009.
    Fotografie: Hartmut Hientzsch

Komponisten und Werkbeschreibungen



  • Anton Bruckner:
    3. Symphonie d-Moll


    Entstehungsgeschichte:
    Bruckner und Wagner
    Die dritte Symphonie von Anton Bruckner, die sogenannte „Wagner Symphonie“, hat einen bemerkenswerten Werdegang:
    Im Jahre 1873, der Zeit der kindlich glühenden Wagner-Verehrung unseres Komponisten, begann Bruckner mit der Komposition seiner „Dritten“, die er, zusammen mit der 2. Symphonie, bei seinem ersten und einzigen Besuch in Bayreuth Richard Wagner im Herbst 1873 vorlegte mit der Bitte, ihm eine der beiden Symphonien widmen zu dürfen. Laut Wagners Freund, dem damals auch in Bayreuth weilenden Bildhauer G. A. Kietz soll sich nun Folgendes zugetragen haben:
    Bruckner drängte ihn, kurz auf die Themen zu schauen, denn bei dem „Hohen Scharfblicke des Meisters genüge ein Blick, und der Meister wisse, was an der Sache sei”. Der Meister konnte sich nun eines „schau, schau - a was - a was” nicht enthalten (so zu lesen bei Max Auer in der Wiedergabe eines Briefes Bruckners an Baron Wolzogen 1891, also 18 Jahre nach dem Bayreuther Besuch). Als Bruckner am späteren Tag Wagner auf dessen Einladung erneut aufsuchte, um seine Wahl zu erfahren, (Wagner wollte sich etwas Zeit nehmen die Noten durchzusehen), genossen die beiden zu viel Bier: „Der gute Bruckner trank und trank, trotz Jammer und Gegenwehr, die seine musikalischen Gespräche immer von neuem in komischer Weise unterbrachen.” Am nächsten Morgen kam Bruckner beim Frühstück im Hotel auf Kietz zu: „Ach, Herr Hofrat”, so Bruckner, „Welches Glück, dass ich Sie sehe – ich bin der unglücklichste Mensch! Sie haben doch gestern gehört, dass ich dem Meister mehrere Sinfonien zur Auswahl für eine Widmung geschickt habe, und nun bin ich in der fürchterlichen Lage, dass ich mich nicht besinnen kann, welche davon der Meister gewählt hat. Oh das Bier, das schreckliche Bier!”. Kietz erwiderte, es sei von einer Trompete gesprochen worden – nämlich der Eingangs-Fanfare, dem Hauptthema der Dritten. Damit war das Wagner-Schicksal der 3. Sinfonie besiegelt.

    Das Verhältnis zwischen Wagner und Bruckner war im Folgenden nicht unfreundlich, jedoch von einer großen Herablassung von Seiten des „Meisters aller Meister: Richard Wagner” geprägt. In einer kurzen Notiz entsprach Wagner der Bitte Bruckners, bedankte sich jedoch nicht eigenhändig für die Widmungspartitur, sondern ließ Cosima ein paar Zeilen schreiben, die acht Monate später in ihr Tagebuch eintrug: „Wir nehmen die Symphonie von dem armen Organisten Bruckner aus Wien vor, weil er hier in Bayreuth war, um seine Symphoniewidmung anzubringen”.

    Im Folgenden überarbeitete Bruckner gerade diese Symphonie zweimal grundlegend, da die erste Fassung sehr lang und mit Wagner-Zitaten nur so gespickt war. Interessant ist dabei, dass diese Wagner-Zitate nur in der Originalfassung vorhanden sind, für die zweite (1876/77) und dritte (1888/89) Version hat sie Bruckner vollständig gestrichen. Bei der Uraufführung der Dritten am 12. Dezember 1877 wurde die zweite Fassung gespielt, die auch am heutigen Abend erklingen wird, die erste wurde zu Bruckners Lebzeiten nie aufgeführt. Die Uraufführung wurde zu einem einzigartigen Debakel: Das Publikum verließ nach jedem Satz scharenweise den Saal, und das Orchester verschwand nach dem Schlussakkord fluchtartig vom Podium. Erst am 21. Dezember 1890 – dreizehn Jahre nach dem ersten schrecklichen Misserfolg – wurde sie in Wien unter dem berühmten Dirigenten Hans Richter wieder aufgeführt und errang einen triumphalen Erfolg.

    Zum Werk
    Anton Bruckners sogenannte „Wagner-Sinfonie” gilt als die erste, die die typische Orchestersprache Bruckners klar zum Ausdruck bringt. So entstand hier zum ersten Mal der für Bruckner typische, orgelhaft differenzierte Orchesterklang mit dem registerartigen Wechsel chorisch eingesetzter Instrumentengruppen. So hat sie außer ihrer Widmung an den großen Theaterkomponisten nichts mit diesem gemein. Selbst die Anklänge an Wagnersche Harmonien und Orchesterfärbungen erscheinen im Sinne Brucknerscher Transzendenz ausnahmslos in seinen eigenen Ausdrucksformen.

    Sein gesamtes musikalisches Schaffen ist Bekenntnis seines Glaubens und Beschäftigung mit Gott als Zentrum seines Lebens. Einen Bruch zwischen profanem und sakralem Leben gibt es für ihn nicht. Er verwendet die Kadenz aus seiner Motette „Ave Maria” mit der gleichen Selbstverständlichkeit im Adagio seiner Sinfonie, wie er im Finale eine flotte Polka-Melodie mit einem Choral im Hintergrund konfrontiert.

    Bruckners eigene Erklärung für diese Gegenüberstellung, die Ernst Decsey berichtet, beweist die Ungebrochenheit seines Weltbildes, das in seinem Werk zum Ausdruck kommt: Eines Abends sei er auf dem Wiener Ring an einem der vornehmen Häuser vorbeigegangen, in dem die Leiche des Besitzers, eines reichen Architekten, aufgebahrt gewesen sein. Aus einem der Nachbarhäuser drang Tanzmusik. „Sehen Sie”, habe er gesagt, „hier im Hause großer Ball – daneben liegt im Sühnehaus der Meister auf der Totenbahre! So ist’s im Leben, und das habe ich im letzten Satz meiner dritten Sinfonie schildern wollen.”



  • John Rutter:
    Magnificat (1990)


    John Rutter, einer der bekanntesten zeitgenössischen englischen Komponisten, wurde 1945 in London als Sohn eines Naturwissenschaftlers geboren. Seine erste musikalische Erziehung erhielt er in der „Highgate School of London”.
    Rutter schreibt selbst über diese Zeit: Diese unsere Schule war eine Brutstätte musikalischer Aktivitäten und hatte einen Chor, der nicht nur innerhalb der Schule auftrat, sondern auch Werke wie z.B. das „War Requiem” aufzeichnete, – und da durfte ich unter Benjamin Britten dabei sein, wir empfanden dies als einen historischen Augenblick. Wir füllten Berge von Notenpapier ohne uns dabei etwas zu denken. Wir hielten dies für absolut natürlich. Unser „director of music” erwartete von uns, dass wir genau so leicht komponierten wie einen Aufsatz schrieben.

    Mit 18 Jahren veröffentlichte er seine erste Komposition, ein „Shepherd’s Pipe Carol”. Und die Komposition von Vokalmusik, sowohl solistisch als auch vor allem Chormusik, sollte auch sein vornehmliches Feld bleiben.

    Nach Highgate studierte er im „Clare College” in Cambridge Musik. Im Alter von nur 30 Jahren wurde er dort zum Direktor der Musikabteilung erhoben. Nach nur fünf Jahren der Tätigkeit (1975-1979) trat er jedoch von seinem Posten zurück, um sich nach dem überwältigenden Erfolg seines „Gloria” in den USA ganz der Komposition zu widmen. Kurz darauf gründete er den berühmten Chor der „Cambridge Singers” und verbringt seine Zeit bis heute mit Chordirigieren und Komponieren.

    Inzwischen erhielt er eine große Anzahl von musikalischen Auszeichnungen, vor allem in seinem Heimatland England als auch in den USA.

    In einer Zeit der experimentellen, der seriellen oder auch „postmodernen” Musik wirkt die Musik Rutter’s völlig anders. Schöne, sangbare Melodien, gepaart mit frischen rhythmischen Strukturen bilden seinen Kompositionsstil. Keineswegs volkstümlich einfache Musik, aber immer gefällig und ansprechend, passt sie nicht unbedingt in das Bild der Musik des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts, gewinnt aber dennoch, oder vielleicht auch deshalb immer mehr begeisterte Anhänger.

    Das „Magnificat”, der Lobgesang Mariens, einer der meistvertonten geistlichen Texte überhaupt, wird von Rutter in mehreren Versionen angeboten. Die im Konzert verwendete Version bedient sich eines großen Orchesters, einer Sopran-Solistin und eines Chores. Der reizvolle Wechsel zwischen rhythmisch betonten, begeisternden Chorsätzen und der lyrischen Stimmung der Solo-Partien lassen das Werk zu einem großen innerlichen Erlebnis werden.

Solistin Nina Omilian



  • Nina Omilian Aufgewachsen ist die gebürtige Stuttgarterin in Aachen und Brüssel. Der Beginn Ihres Gesangsstudiums führte Nina Omilian wieder nach Stuttgart, an die dortige Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Zwei weitere Semester folgten am Mozarteum in Salzburg.
    Das Studium beendete sie in der Klasse von Frau Professor Ingeborg Reichelt an der Robert-Schumann-Musikhochschule in Düsseldorf.
    Meisterkurse bei den bedeutenden Gesangspädagogen wie Professor Richard Miller, Rudolf Piernay, Cornelius L. Reid, und Edith Wiens rundeten ihre Ausbildung ab.
    Bereits während des Studiums machte sich Nina Omilian europaweit durch die Mitwirkung an großen Opern und Gala-Veranstaltungen einen Namen.
    Und außergewöhnlich setzte sich ihre Karriere fort. Bereits vor der Diplomprüfung im Jahre 2003 wurde sie als Solistin am Niedersächsischen Staatstheater in Oldenburg verpflichtet.
    Diesem Engagement folgten weitere Rollen als freiberufliche Solistin u.a. als Susanna in Mozarts Figaros Hochzeit, Maria in Bernsteins West Side Story, Adele in J. Strauß Die Fledermaus und Lauretta aus Puccinis Gianni Schicchi.
    Im Juni 2008 durfte Nina Omilian als erste klassische Musikerin seit Nigel Kennedy im international berühmten Jazz-Club Quasimodo einen Solo-Abend gestalten.

    Anlässlich der Premiere ihres Theaterstücks „Sein Bildnis wunderselig”, das am 12. September 2008 im Rahmen der Gewandhaus-Konzertreihe in Leipzig uraufgeführt wurde, hat Nina Omilian ein Album mit Schumann-Liedern aufgenommen. Dass ihr Autoren-Erstlingswerk für die Schumann-Festwoche in Leipzig ausgewählt wurde, empfindet sie als besondere Ehre.

    Im Dezember 2008 gab sie ihr Debüt in Schwäbisch Gmünd als Gretel in Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel”.

    Seit Juni 2005 ist Nina Omilian in Berlin zuhause.