Philharmonie Schwäbisch Gmünd e.V.

Konzertarchiv

Festliches Konzert
17. Dezember 2005



Komponisten und Werkbeschreibungen



  • Max Reger (1873 – 1916):
    Choralfantasie „Wie schön leucht’ uns der Morgenstern“, op. 40/1


    Die Orgelfantasie über den Choral „Wie schön leucht uns der Morgenstern“ entstand 1899. Reger war für drei Jahre wieder in sein Elternhaus zurückgekehrt. Diese Zeit ist von enormer Schaffenskraft geprägt. In der Choralfantasie bereitet der Komponist in einer von Quartenschritten beherrschten Einleitung den Hörer allmählich auf den Choral vor und zeigt in den Lautstärkemaßen, was ihn im Werk erwartet. Vers 1 und 2 der Variation sind mit umrankenden freien Bewegungen gestaltet. In der 3. Strophe „Geuß sehr tief in mein Herz hinein“ erklingt ein „Adagio con espressione“, in dem die Choralmelodie durch Verzierungen ausgeschmückt wird. Der folgende Vers „Von Gott kommt mir ein Freudenschein“ bringt gewaltige dynamische Gegensätze und schnelle Läufe zu dem Text „Eia, eia, ein himmlisch Leben wird er geben“. In der Fuge tritt nach der Exposition des Themas und kurzer Durchführung der Cantus firmus des 5. und letzten Verses hinzu, zuerst im Pedal, dann in der Oberstimme mit gewaltiger Steigerung.

    Max Reger entstammt einer Lehrerfamilie. In Brand im Fichtelgebirge geboren, wächst er in der nahen Stadt Weiden auf und erhält dort seinen ersten Musikunterricht bei dem Organisten Adalbert Lindner. Von 1890 an studiert er bei dem hervorragenden Musikgelehrten und -pädagogen Hugo Riemann in Sondershausen und Wiesbaden. Die Abschlussprüfung besteht er mit Auszeichnung und wird 1895 Nachfolger Riemanns als Theorielehrer.

    Nach einem Nervenzusammenbruch verbringt er die Jahre 1898/1901 zurückgezogen bei seinen Eltern. In dieser Zeit entstehen seine ersten Orgelwerke. Er übersiedelt dann nach München, wo er als konzertierender Pianist tätig ist. 1907 wird er als Universitätsmusikdirektor und Professor für Komposition an das Königliche Konservatorium in Leipzig berufen.

    1911 übernimmt er das von Hans von Bülow geschulte Orchester der Hofkapelle in Meiningen, wo er den Titel eines Generalmusikdirektors, der damals selten verliehen wurde, erhält. Die Universitäten in Jena und Berlin hatten ihn inzwischen zum Ehrendoktor ernannt. Wegen eines Herzleidens tritt er 1914 von seiner Tätigkeit zurück. Trotz seiner angegriffenen Gesundheit führt er seine intensive Kompositions- und Konzertiertätigkeit fort. Bei einer Konzertreise in Leipzig erliegt er einem Herzversagen.

    In seinem 43jährigen Leben komponierte er bedeutende Werke vor allem der Kammermusik und Vokalwerke. Sein ureigenstes Gebiet aber blieb die Orgel. Als erster schuf er nach Johann Seb. Bach wieder bedeutende Orgelwerke. „B-a-c-h ist Anfang und Ende aller Musik. Max Reger“ lautet sein Bekenntnis zu Bach.



  • Anton Bruckner (1824 – 1896):
    4. Sinfonie in Es-Dur


    Die vierte Sinfonie ist sicher Bruckners populärste Sinfonie. Ihre Entstehungszeit hat Bruckner genau beschrieben: Mit der Skizze zum ersten Satz begann er am 2. Januar 1874, am 22. November des gleichen Jahres, „um halb neun Uhr abends“ war sie vollendet. Sie schien aber dem äußerst selbstkritischen Komponisten nicht „vollendet“ zu sein; denn er schuf 1878 eine zweite Fassung, in der er das Scherzo durch das sogenannte „Jagd-Scherzo“ ersetzte. Die dritte Fassung von 1880 brachte eine völlige Neugestaltung des Finales. Diese Fassung wird im Konzert der Philharmonie erklingen.

    Die Sinfonie ist die einzige, der Bruckner eine Überschrift gegeben hat: „Romantisch“. Zum ersten Satz äußerte er sogar einige Gedanken: „... mittelalterliche Stadt in der Morgendämmerung ... Morgenweckrufe ... Reiter sprengen auf stolzen Rossen heran ... Waldesrauschen ... Vogelgesang ...“ Mit seiner Sinfonie wollte aber Bruckner sicher keine Programmmusik schaffen, sondern nur die Stimmungen andeuten, die sich aus dem Erleben der Natur ergeben. Aus dem leisen Tremolo der Streicher hebt sich ein Hornruf hervor, das Hauptmotiv des Satzes, das auch im Finale wiederkehrt. Im weiteren Verlauf erstrahlt das Naturthema in gewaltiger Steigerung.

    Das Andante ist bei aller Schwere des trauermarschähnlichen Hauptgedankens von einer abgeklärten Stimmung erfüllt. Die Celli beginnen mit einer klagenden Melodie, die Geigen antworten mit einer trostreichen Wendung, die Bratschen singen eine rätselhaft innige Melodie, die sich über 32 Takte hinzieht.

    Leicht verständlich ist das „Jagd-Scherzo“ mit seinem Hörnerklang. Im idyllischen Trio erklingt eine Ländlerweise, vorgetragen von der Klarinette. Bruckner selbst hat das Trio als „Tanzweise während der Mahlzeit zur Jagd“ beschrieben.

    Das Finale wurde manchmal wegen seiner Formlosigkeit gescholten. Es ist mit seiner Länge und den verschiedenen Themen auch schwer durchschaubar. In schroffem Wechsel mit zarten Bildern erklingen stürmische und wilde Rufe der Blechbläser. Der Satz endet mit einem strahlenden Ausklang in Es-Dur, in dem auch die sehr hohen, klagenden Töne der Streicher schließlich verklingen.

    Die Sinfonie musste bis zum 20. Februar 1881 auf die Uraufführung unter Hans Richter in Wien warten. Die Wiener Philharmoniker waren bei der ersten Probe der Sinfonie keineswegs begeistert und erklärten sie nur in Teilen für aufführbar. Die zweite Aufführung fand dann erst 1888, wieder unter Richter statt.

    Einen interessanten Vergleich von Reger und Bruckner bringt das Ullstein Lexikon der Musik: „Reger gab der Orgel die Vielfarbigkeit des modernen Orchesters, während Bruckner das Orchester wie eine Orgel behandelte.“

    Als Sohn eines Lehrers wird Anton Bruckner in dem Dorf Ansfelden, unweit von Linz, geboren. Er lernt frühzeitig Violine, Klavier und vor allem Orgel. Schon mit zehn Jahren fungiert er als Aushilfsorganist. Nach dem Tod des Vaters 1837 geht er als Sängerknabe in das Chorherrenstift St. Florian in Linz, wo er weitere musikalische Schulung erhält und zum Lehrer ausgebildet wird. Als Schulgehilfe in einem Dorf wird er entlassen, da er zu viel komponiert und auf der Orgel improvisiert anstatt auch bei der Arbeit in Feld und Wald zu helfen.

    Schließlich kehrt er als Lehrer 1845 an die Pfarrschule St. Florian zurück. Sein karges Einkommen bessert er als Tanzbodengeiger auf. Ende 1855 erhält er die Stelle des Domorganisten in Linz und bleibt dort bis 1868. Im Selbststudium hatte er inzwischen viel gelernt und nimmt auch Unterricht bei dem bekannten Lehrer für Harmonie und Komposition Simon Sechter in Wien. In Wien wird er Professor am Konservatorium der Musikfreunde.

    Nachdem Bruckner bisher hauptsächlich Kirchenmusik – Psalmen, Motetten, ein Requiem, Messen – komponiert hat, wendet er sich jetzt seinem eigentlichen Gebiet zu, der Sinfonie. Bis an sein Lebensende komponiert er rastlos neun Sinfonien von gewaltigen Ausmaßen. Die letzte blieb unvollendet.

    Bruckner verehrte Richard Wagner, dem er seine 3. Sinfonie „in tiefster Ehrfurcht“ widmete. Seine letzte Sinfonie aber trägt die Widmung „An den lieben Gott“. Gemäß seinem Wunsch fand Bruckner seine letzte Ruhestätte unter der Barockorgel von St. Florian.

Solist Stephan Beck



  • Stephan Beck studierte katholische Kirchenmusik-A und Schulmusik an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart bei Prof. Dr. Ludger Lohmann (Orgel), Prof. André Bernard Mar-chand (Klavier) und Prof. Jon Laukvik (Cembalo). Er besuchte Kurse für die Interpretation französischer Orgelmusik bei Jean Boyer (Lyon) und Orgelimprovisation bei Daniel Roth (Paris). Im Jahr 2000 gewann er den ersten Preis für Improvisation beim Klavierwettbewerb „Grotrian-Steinweg“ in Weimar.

    Stephan Beck ist seit 1999 Münsterorganist am Heilig-Kreuz-Münster Schwäbisch Gmünd und unterrichtet seit 2001 im Fach Musik an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Seit dem Jahr 2002 hat er einen Lehrauftrag für „Schulpraktisches Klavierspiel/Improvisation“ an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart.