Philharmonie Schwäbisch Gmünd e.V.

Konzertarchiv

Bach, Britten, Schubert
20. November 2004



  • Bach / Britten / Schubert
    Tarmo Vaask, künstlerischer Leiter der Philharmonie Schwäbisch Gmünd, hat sich seit der Übernahme des Orchesters vor zwei Jahren einen Namen gemacht sowohl durch seine Gestaltungskraft als auch durch seine unkonventionellen Konzertprogramme. Er möchte dem Konzertbesucher nicht nur die gängigen, immer wieder gehörten Orchesterwerke darbieten, sondern auch selten Gehörtes.

    Nun ist Johann Sebastian Bachs dritte Orchestersuite in D-Dur mit dem berühmten „Air“ sicher kein selten zu hörendes Werk. Was aber das völlig Neue und Ungewohnte im kommenden Konzert sein wird, ist die Idee des Dirigenten, Bachs Suite mit Brittens Simple Symphony zu verbinden, ja geradezu zu vermischen. Der Zuhörer soll sich von der alten Gewohnheit lösen, Bachs Suite in der bekannten Reihenfolge zu hören. Er soll vergleichen, was die beiden Kompositionen eint oder trennt. Zwar liegen zwischen beiden Werken rund zweihundert Jahre, doch sie bieten sich direkt zu einem interessanten Vergleich an.

    Benjamin Britten gilt neben Edward Elgar und Vaughan Williams als der bedeutendste englische Komponist des 20. Jahrhunderts. Die Melodien seiner „Simple Symphony“ erfand Britten bereits im Alter von neun bis zwölf Jahren. Mit zwanzig Jahren verarbeitete er dann die Themen zu einer Sinfonie nur für Streicher. Man könnte das Werk auch als Suite bezeichnen, denn wie sein großes Vorbild Bach greift er auf die Tanzformen des Barock zurück.

    Im Konzert der Philharmonie stellt Tarmo Vaask die Tänze Bachs denen Brittens gegenüber: Wie gewohnt erklingt zwar Bachs festliche Eröffnungsmusik, doch dann folgt nicht das hundertfach als einzelner Satz zu allen möglichen Anlässen gespielte „Air“. Nein, man macht mit der „lärmend-stürmischen“ Bourée Brittens Bekanntschaft, die dann mit Bachs altfranzösischem Tanz verglichen werden kann. Jetzt darf sich der Zuhörer dem ersehnten „Air“ von Bach hingeben, auf welches aber nicht gleich die gefühlvolle Sarabande von Britten folgt, denn es schiebt sich dessen spielerischer Pizzicatosatz im 6/8-Takt dazwischen! Nach Bachs Gavotten und Gigue beendet das „fröhlich-ausgelassene“ Finale von Britten den reizvollen Vergleich.

    Im zweiten Teil des Konzerts erklingt die 5. Sinfonie in B-Dur von Franz Schubert. Sie hat zwar nicht die Tiefe der berühmten „Unvollendeten“ oder die Ausmaße der „großen“ C-Dur, aber man erlebt ein Werk, das von schwärmerischen Melodien und frischen Rhythmen überströmt. Auch Schubert hatte seine großen Vorbilder: Mozart und Beethoven. Seine Sinfonie folgt den klassischen Entwicklungsgesetzen mit deutlichen Anklängen an Haydn und Mozart. Besonders „mozartisch“ klingt der innige zweite Satz, der einen manchmal an die „Rosenarie“ aus Mozarts „Hochzeit des Figaro“ erinnert.

Komponisten und Werkbeschreibungen



  • Johann Sebastian Bach (1685 – 1750):

    Es gibt keinen anderen Komponisten, über den so viele Bücher und Dissertationen geschrieben wurden. Sein Leben und Werk ist bis ins kleinste Detail erforscht. Deshalb seien nur ein paar Stationen seines Lebens erwähnt: „Hochfürstlicher Kapellmeister“ am Hofe des Herzogs von Weimar, Thomaskantor in Leipzig. „Nicht Bach, sondern Meer müsste er heißen“, so lautet ein Ausspruch über ihn. Damit ist nicht nur die fast unübersehbare Fülle seiner Werke gemeint, sondern auch ihre Tiefe. Seine Musik schlägt immer wieder die Menschen in Bann und ergreift sie im Innersten. Es vergeht kein Sonntag, kein Hochfest der Kirche, an dem nicht eines seiner Werke erklingt: über 200 Kantaten für jeden Sonntag des Jahres; Motetten und die großen oratorischen Werke (h-Moll-Messe, Magnificat, Weihnachtsoratorium, Passionen). Bach gilt mit seinen Orgelwerken als größter Meister für dieses Instrument.



  • Benjamin Britten (1913 – 1976):

    Unter den nicht gerade zahlreichen Komponisten Englands ist Britten vielen Deutschen nur dadurch bekannt, dass sie im Musikunterricht der Schulen den Film „The Young Person’s Guide to the Orchestra“ gezeigt bekamen: Variationen eines Themas von Purcell werden von allen Instrumenten des Orchesters vorgeführt. Britten hatte als Musikpädagoge großen Einfluss auf das britische Musikleben. Seine Werke für die Jugend („Wir machen eine Oper“, „Der kleine Schornsteinfeger“) und seine anderen Werke werden in seinem Heimatland oft aufgeführt, führen aber in unserem Musikleben ein Schattendasein. Sein Schaffen umfasst alle Gattungen, im Vordergrund stehen seine Opern (Peter Grimes, The Beggar’s Opera). Einen Höhepunkt in seinem Schaffen bildet das „War Requiem“, das Britten 1962 für die Einweihung der Kathedrale von Coventry schrieb.



  • Franz Schubert (1797 – 1828):

    „Wen die Götter lieben, den holen sie früh zu sich!“ Ein nur kurzes Leben war Schubert vergönnt, genau wie seinem großen Vorbild Mozart. Auch wenn Schubert im Kreise seiner Freunde bei den sogenannten „Schubertiaden“ glücklich erschien, blieb er der meist schweigsame Musikant. Verwurzelt in der Wiener Klassik wurde Schubert zum Romantiker. Eine Fülle von Chor- und Orchesterwerken, Kammermusik, Klavierwerken und über 600 Liedern schuf er in seinem kurzen Leben, eine beispiellose Fülle der herrlichsten Melodien. Er ist der Liedkomponist, angefangen bei seinem Erstlingswerk, dem „Erlkönig“, bis zu seinen Liederzyklen „Die schöne Müllerin“ und die „Winterreise“. „Alles was er anfasst, verwandelt sich ihm in Musik“, so der Ausspruch eines seiner Freunde. „Die Tonkunst begrub hier einen reichen Besitz, aber noch viel schönere Hoffnungen“, lautet die Inschrift auf Schuberts Grabstein.